Im Dezember 1918 machte eine neue Künstlervereinigung auf sich aufmerksam: „In der Ueberzeugung, daß die politische Umwälzung benutzt werden muß zur Befreiung der Kunst von jahrzehntelanger Bevormundung, hat sich in Berlin ein Kreis einheitlich gesinnter Künstler und Kunstfreunde zusammengefunden“, hieß es in ihrem ersten Manifest.1 Der Gruppe gehörten bekannte Architekten, Bildhauer und Maler an, darunter Walter Gropius, Bruno Taut und Lyonel Feininger. Sie hatten ihr den programmatischen Namen „Arbeitsrat für Kunst“ (AfK) gegeben – und damit sehr bewusst eine Verbindung zu den Arbeiter- und Soldatenräten gezogen, die in den Wochen zuvor während der Novemberrevolution entstanden waren. Auch politisch stand der AfK für einen Bruch mit den alten wilhelminischen Traditionen und Institutionen. So forderte er die Auflösung der königlichen Akademien und die Beseitigung jeglicher Kriegsdenkmäler. Zugleich wollte die Gruppe eine neue Kunst und Architektur für das Volk schaffen. Als „wichtigste Aufgabe der nächsten Zukunft“ betrachtete sie die „gemeinsame Ausarbeitung eines umfassenden utopischen Bauprojekts“.2
Der Arbeitsrat ist nur ein Beispiel für zahlreiche Künstlervereinigungen und Intellektuellengruppen, die europaweit gegen Ende des Ersten Weltkriegs entstanden.3 Zu dieser Zeit wurden viele Länder des alten Kontinents von Massenstreiks oder sogar revolutionären Bewegungen erschüttert.4 Oft gingen diese Entwicklungen mit einem gesellschaftlichen und kulturellen Aufbruch einher, an dem auch die Künstlervereinigungen Teil hatten. Sie setzten sich für die Ideale einer neuen, demokratischen Gesellschaft ein und unterstützten entsprechende politische Bewegungen. Für Deutschland sind hier beispielsweise die nahezu zeitgleich mit dem AfK gegründete „Novembergruppe“ oder der „Politische Rat geistiger Arbeiter“ zu nennen,5 für die Niederlande die Gruppe „De Stijl“. Auch in Russland entstanden nach der Oktoberrevolution von 1917 zahlreiche Künstlervereinigungen. Hier beschlossen Künstlerinnen und Künstler der Avantgarde, ihr Schaffen in den Dienst der neuen Gesellschaft zu stellen. Derweil unterstützten Architektinnen und Architekten in Wien die aufkommende Siedlerbewegung, die aus Wohnraummangel massenhaft Land besetzte und einfache Behausungen selbst errichtete.6 Wie ist der Arbeitsrat für Kunst in dieser Entwicklung zu verorten? Die Gruppe existierte lediglich von 1918 bis 1921. Welche Rolle spielte sie also in den ersten Jahren der jungen Weimarer Republik? Wie grenzte sich der AfK von der Kunst des Kaiserreichs ab? An welchen politischen Kräften orientierte er sich? Und wie rezipierte er künstlerische Reformbewegungen des Auslandes? Diese Fragen sollen im Folgenden beantwortet und dabei vor allem die Bezugnahmen der Gruppe auf die russische Avantgarde aufgezeigt werden. So soll eine skizzenhafte Darstellung der bislang viel zu wenig beachteten Geschichte des Arbeitsrats für Kunst entstehen.